Lesen

An dieser Stelle stelle ich einige Bücher vor, die mir besonders gefallen haben. Teilweise sind es Neuerscheinungen, teilweise Bücher, die es wiederzuentdecken gilt.


links: Livreria Lello in Porto

Almudena Grandes: Die wechselnden Winde, Rowohlt tb, 636 Seiten

In Deutschland relativ unbekannt ist die 2021 verstorbene spanische Autorin Almudena Grandes. "Die wechselnden Winde" erzählt die Geschichte von Sara, Olmedo und Maribel und den Kindern Andrés und Tamara. Sara wurde als Kind armer Eltern von einer bürgerlichen Familie in Madrid adoptiert. Olmedo war in seine Schwägerin verliebt, die bei einem Unfall ums Lebens kam. Beide versuchen mit der Flucht aus Madrid in eine südspanische Ferienanlage ihr altes Leben hinter sich zu lassen, auch wenn es sie immer wieder einholt. Olmedo hat zudem Tamara, die Tochter seiner verstorbenen Schwägerin unter seine Fittiche genommen. Er lernt Maribel und ihren Sohn Andrés kennen als er Maribel als Haushaltshilfe anstellt. Das faszinierende an Grandes' Erzählweise ist, wie wie sie alle diese Personen allmählich zusammenbringt und zu einer Art freundschaftlicher Familie zusammenwachsen lässt. Das Buch wird vom Verlag als andalusisches "Vom Winde verweht" beworben. Das ist absoluter Unsinn. Zwar gibt es auch eine Liebesgeschichte, aber den Fokus bilden die fünf Personen, ihre Vergangenheit und ihr allmähliches Zusammenwachsen.



Barbi Markovic: Mini Horror

Miki und Mini sind aus der Fremde in die neue Stadt gekommen und versuchen alles, um dazuzugehören. Aber genau das geht oft schief. Sie träumen vom vermeintlichen Glück des Mittelstands und geraten in ihrem Alltag in immer neue Schwierigkeiten und Katastrophen.  Sei es das Mobbing am Arbeitsplatz, die Abgründe des Konsums oder der Horror eines missglückten Urlaubs. Ganz bewusst lehnt Barbi Markovic sich an die Sprache von Comics an, bereichert sie jedoch durch schwarzen Humor, abgründige Phantasie und Mitgefühl für die, die auf der Erfolgsleiter immer wieder nach unten rutschen. Als Leser muss man immer darauf gefasst sein, im nächsten Moment in einen Abgrund zu fallen. Das Buch wurde 2024 mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet und ist inzwischen auch als Taschenbuch erhältlich.

Dennis Lehane: Sekunden der Gnade, Diogenes Verlag

Wer Krimis liebt, kommt an Dennis Lehane nicht vorbei. Viele seiner Romane spielen in der Vergangenheit, seien es die dreißiger Jahre der Prohibition oder wie im vorliegenden Roman die siebziger Jahre mit den Kämpfen um die Aufhebung der Rassentrennung, Erzählt wird die Geschichte von Mary Pat, die schon ihren Sohn ans Heroin verloren hat. Jetzt ist ihre Tochter verschwunden, die in den dubiosen Todesfall eines schwarzen Jugendlichen verwickelt sein soll. Das alles spielt vor dem Hintergrund, dass die Stadtverwaltung angeordnet hat, künftig schwarze Jugendliche auch in die Schulen der Weißen zu schicken. Dennis Lehane erzählt die Geschichte aus der Sicht von Mary Pat, die ihren Schmerzen nicht hinnehmen will, sondern sich aufmacht, um an den Verantwortlichen Rache zu nehmen - bis zur letzten Konsequenz. Gleichzeitig schildert Lehane wie unterpriviligierte Gruppen gegeneinander aufgehetzt werden, während die Drahtzieher im Hintergrund ihre Geschäfte machen - eine Muster, das auch heute sehr aktuell ist. Lehanes Stil ist bildhaft und kanllhart und trifft mit unfehlbarer Sicherheit die Sprache seiner Protagonisten.